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01.08.2015
Galileo 2 depressionistischer
Roman von
Stefan
Veith
für Susanne für Stanisław
Lem
„Heiter
ist das Leben, ernst
ist
die Kunst“ I. Allmählich fing die Sache an, unangenehm, geradezu lästig zu werden. Curtis begann sich zu fragen, wie Armstrong, Aldrin und Collins das damals eigentlich ausgehalten hatten. Und bei denen war die Entfernung zur Erde ja nur etwa 300 000 Kilometer gewesen, das heißt, eine Antwort auf ihre Funksprüche konnten sie wenigstens nach zwei Sekunden erwarten, eine halbwegs normale Unterhaltung war also noch gewährleistet. Er
war jedoch mittlerweile fünf Millionen Kilometer von der Erde
entfernt. Und das machte jede Unterhaltung zur Bodenstation zu einer
seltsamen Erfahrung, noch dazu zu einer, auf die er nicht vorbereitet
war – und das, obwohl man scheinbar alles Mögliche durchgespielt
hatte. Aber daran hatte keiner gedacht. Jedenfalls: statt einer
normalen Unterhaltung wurde es immer mehr zu einem Austausch längerer
Textpassagen, da man immer länger auf eine Antwort wartend, nicht
mehr in einzelnen Sätze kommunizieren konnte. Die
im Oktober 1989 gestartete Raumsonde Galileo war kein voller Erfolg.
Ihre Aufgabe war ein Flug zum Jupiter und eine ausführliche
Erforschung seiner Monde. Die zur hauptsächlichen Datenübertragung
vorgesehene Parabolantenne ließ sich nicht richtig öffnen, die
Datenübertragung ließ zu wünschen übrig, und so wurde, nachdem
ausführliche Tests und schließlich eine erfolgreiche bemannte
Marsmission durchgeführt wurde – wenn auch mit erfolgreicher
Rückkehr der Beteiligten, bald der Plan gefasst, ob man nicht auch
eine ähnliche Mission zur Erforschung von Jupiter durchführen
könne. Auf dieses Mal besseres Gelingen.
Ach,
Jupiter! 318-fache Erdmasse, ein ziemlich fetter Sack also. Geht man
von einer Erdmasse von sechs Trilliarden Tonnen aus, hätte er so
etwa 1 900 Trilliarden Tonnen. Eine gängige kosmologische Theorie
besagte sogar, dass ein Planet dieser Masse in relativer Erdnähe
sogar nötig gewesen sei, um Kometen, Planetoiden und ähnlichen
kosmischen Kleinschrott auf sich zu ziehen oder wegzuräumen, der
sonst zusätzlich auf der Erde eingeschlagen wäre. Mal
davon abgesehen, wie viele Gedanken man dafür aufgewandt, hatte, ob
eine derartige Mission überhaupt durchführbar sei, nahm breiten
Raum die Frage ein, ob so etwas eher ein Einzelner oder mehrere Leute
durchführen sollten. Man kam schließlich zu dem Schluss, dass ein
derartiger Flug eher eine Einzelmission sein müsse. Trotz aller
psychologischen Tests und einem Probezusammenleben: Die
Gruppendynamik war doch zu schwer einzuschätzen. Und der Astronaut
sollte zwar lebensbejahend, doch nicht am Leben hängend sein.
Natürlich, Curtis war sich darüber im Klaren, dass seine
Rückkehrwahrscheinlichkeit bei etwa 50% lag. Deswegen war er ja auch
zum Zug gekommen, wenn auch keinesfalls als erste Wahl, also Nummer
neun von elf; die anderen waren entweder abgesprungen, krank
geworden, und, ja, einen recht rätselhaften Selbstmord gab es auch
noch. Verstehen konnte man das irgendwie
schon. Denn das
Astronautenleben bei einem derartigen Flug war vor allem eines:
Langweilig. Man hatte sich jede Menge Gedanken gemacht, wie man ihn auf
der langen Reise beschäftigen konnte und war unter anderem –
nicht so recht zu glauben – ausgerechnet darauf gekommen, ihn
Kristallisationsversuche betreffend verschiedener Salze machen zu
lassen.
Er hörte viel Burgmüller,
soff, kiffte
und begann über Religion nachzudenken.
Wenig hat den
Machtanspruch der Religion so in
Frage gestellt, wie die moderne Astronomie (Macht, darum geht es; um
nichts
anderes). Kirche
(speziell kathohlische) und Astronomie, ein größerer
Gegensatz war nicht denkbar. Es ging schon damit los, dass die kathohlische Kirche so sehr auf dem
Weltbild des „heidnischen“ Philosophen Ptolemäus bestand, nämlich, dass
die
Erde der Mittelpunkt des Universums sei und Sonne, Planeten und der
ganze Rest
um die Erde kreisen würden. Und „Gott schuf den Menschen nach seinem
Ebenbild.“
Schwachsinn. Das war einfach nur umgekehrt zu verstehen. Und da der
Mensch nun Mal die
unangenehme Eigenschaft hat, sich wichtiger zu nehmen, als er ist,
konnte er es
einfach nicht akzeptieren, dass er einfach nur auf einem kleinen
Planeten
lebte, der eine höchst durchschnittliches Sonne umkreiste, die sich in
einem
langweiligen Spiralarm einer höchst durchschnittlichen Galaxie befand.
Nein,
diese Kränkung konnte der Mensch nicht akzeptieren. Er musste die
Krönung der
Schöpfung sein. Es fragt sich nur welcher.
Auch wenn man
nicht das Russelsche Dilemma „entweder ist Gott
nicht barmherzig oder allmächtig“ ausbreiten will, was sollte das
alles? Was
sollte sich ein allmächtiger Gott mit einer derartigen Menschheit
abgeben und
warum? So wie ein Hundehalter vielleicht, mit dem perfiden Unterschied,
dass er
sich seine Geschöpfe auch noch geschaffen hat? Was sollte
das für ein
seltsamer Gott sein, den man dann auch noch ehren und vielmehr fürchten
sollte? Und Curtis
war froh,
zumindest diesem Wahnsinn entkommen zu sein. Seinen ganz eigenen hatte
er
sowieso.
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Die CS-Union ist KEINE MS-Union! Die Hymne für die Zeit zwischen EM und WM
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